Drei Fragen an Katharina Schwaiger, verantwortlich für Wissenschaftskommunikation bei ACIB, dem österreichischen Zentrum für industrielle Biotechnologie in Graz.
Frau Schwaiger, was macht das ACIB?
Die Buchstaben ACIB stehen für Austrian Centre of Industrial Biotechnology. Wir sind ein Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie. Unser Forschungsschwerpunkt ist, biologische Vorgänge für Technik und Wissenschaft nutzbar zu machen. Wir wollen mit biologischen Werkzeugen Produkte und Prozesse entwickeln, die den Menschen im täglichen Leben helfen. Wir haben ein sehr vielfältiges Anwendungsgebiet: Von neuen Lösungen in der Medizin der Landwirtschaft, Umwelt-Biologie, Abfallwirtschaft, Industrie … Wir können aufwändige chemische Prozesse durch biotechnologische Prozesse ersetzen und nachhaltiger machen, wir können in der Medizin Alternativen zu Tierversuchen aufzeigen und in der Krebstherapie völlig neue Wege eröffnen.
Was sind die wichtigsten Werkzeuge, mit denen in der Biotechnologie gearbeitet wird?
Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, hat die Biotechnologie eigentlich mit dem Brauen von Bier, der Herstellung von Wein, Bier, aber auch Käse und Joghurt begonnen. Diese Prozesse beruhen auf Fermentation und Gärung, also biotechnologischen Verfahren, welche die Menschheit schon seit tausenden von Jahren nutzt. Dabei werden natürliche biologische Vorgänge gezielt eingesetzt, um für uns wertvolle Produkte herzustellen.
Die Menschen begannen auch, Tiere und Pflanzen zu züchten, um ihre genetischen Eigenschaften zu verändern und für uns zu verbessern. Heute nutzen wir dafür moderne Gentechnik, wie etwa die Genschere. Gentechnik ist heute ein selbstverständliches Werkzeug, um zum Beispiel Mikroorganismen zu verändern. Je nach biotechnologischem Prozess wird entweder der gesamte Mikroorganismus für die Herstellung eines Produkts verwendet, wie bei der Fermentation, oder nur einzelne Enzyme, die sogenannten Biokatalysatoren, die dafür sorgen, dass chemische Reaktionen in den Zellen aller Lebewesen überhaupt durchgeführt werden können. Ohne Enzyme, welche natürlich in allen lebenden Zellen vorkommen, könnten wir zB keine Nahrung verdauen und würden verhungern. Durch Gentechnik können Mikroorganismen dazu gebracht werden, große Mengen eines bestimmten Enzyms zu produzieren. Dieses Enzym wird dann oft aus der Zelle isoliert und als Biokatalysator für spezifische chemische Prozesse eingesetzt.
Heute können wir also sehr genau beobachten und beeinflussen, was auf der Zell-Ebene geschieht. Dazu nutzen wir leistungsstarke Mikroskope und Labortechnik, die immer weiterentwickelt werden. Ein weiteres großes Thema ist die Künstliche Intelligenz (KI). In unseren Forschungen und Versuchen produzieren wir oft riesige Datenmengen, etwa bei der Genomsequenzierung oder der Beobachtung von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Molekülen. Diese Datenmengen kann die KI analysieren und vorauswerten. Außerdem kann uns die KI helfen Vorhersagen zu treffen, zum Beispiel unter welchen Bedingungen ein Enzym am effizientesten arbeitet. Das hilft uns präzisere Experimente zu designen oder gezielter an eine Problemstellung heranzugehen. Das beschleunigt den Prozess hin zu neuen Entwicklungen.
Zusammengefasst gibt es in der modernen Biotechnologie also drei wichtige Werkzeuge: Die natürlichen biochemischen Vorgänge, die in verschiedenen Lebewesen stattfinden und meist auf Enzymen beruhen; die Gentechnik, die es uns ermöglicht, diese Prozesse gezielt zu verändern und für uns zu verbessern; und schließlich die Technologien, wie etwa Analyse-, Mikroskopie- und Labortechnik sowie KI, die uns hilft, die natürlichen Vorgänge besser zu verstehen und zu nutzen.
In welchen Feldern der Biotechnologie ist die Steiermark im internationalen Vergleich besonders stark, welche Staaten sind hier federführend?
Biotechnologie ist in der Steiermark sehr gut aufgestellt, unter anderem durch ACIB, durch den Cluster „Human Technology Styria“ und zahlreichen Forschungsinstituten, Spin-Offs, Start-Ups und Unternehmen. Ein besonderes Stärkefeld ist die Biokatalyse, welche auch vor ca. 30 Jahren die Keimzelle des heutigen acib bildete. Möglich ist das alles, weil die steirische Wirtschaftspolitik stark auf Cluster setzt und durch die starke Förderung des Forschungsbereichs durch die Europäische Union, den Bund und die Länder, hier allen voran die Steiermark mit einer der höchsten Forschungs- u. Entwicklungsquoten in ganz Europa. Von besonderer Bedeutung ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Expert:innen an verschiedensten europäischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus ganz Europa, aber auch anderen Teilen der Welt – mit Staaten hat das weniger zu tun.
Forschungscluster: Ein Forschungscluster ist eine Gruppe von Forschungsinstituten, Universitäten und Firmen, die zusammenarbeiten, um neue Ideen und Technologien zu entwickeln. Durch die Zusammenarbeit können sie sich gegenseitig besser helfen und Wissen teilen.
Forschungs- und Entwicklungsquote (F&E-Quote): Diese Quote zeigt, wie viel ein Unternehmen oder Land im Vergleich zu seinem Umsatz oder BIP in Forschung und Entwicklung investiert. Eine hohe Quote bedeutet, dass viel Geld in neue Ideen und Technologien gesteckt wird.
Biokatalyse: Biokatalyse nutzt natürliche Stoffe wie Enzyme, um chemische Reaktionen schneller und umweltfreundlicher zu machen. Dies geschieht oft bei niedrigeren Temperaturen und mit weniger Abfall.
Spin-off: Ein Spin-off ist ein neues Unternehmen, das aus einer anderen Firma oder Organisation heraus entsteht, um eine neue Idee oder Technologie weiterzuentwickeln und zu verkaufen. Es arbeitet oft eigenständig, nutzt aber das Wissen und die Mittel der ursprünglichen Firma.
Start-up: Ein Start-up ist ein junges Unternehmen, das neue und kreative Ideen entwickelt und schnell wachsen möchte. Es steht meist noch am Anfang und sucht nach Geldgebern, um seine Ideen in die Tat umzusetzen.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Das bedeutet, dass Fachleute aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten, um ein Problem zu lösen oder ein Projekt umzusetzen. Sie nutzen ihr unterschiedliches Wissen, um gemeinsam bessere Ergebnisse zu erzielen.
- Expert:innen-Gespräch
DI Pascal Mülner, stellvertretender Geschäftsführer von human.technology.styria, erzählt, was Biotechnologie ist, was ihn daran begeistert und warum er in der Biotechnologie die Lösung vieler aktueller Probleme sieht. - My Job
Neue Clips über Menschen, die im Bereich Biotech arbeiten und von ihren Jobs begeistert sind. - Neue Berufschancen
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Jana stellt schlaue Fragen zur Biotechnologie – wir geben Antworten. - Spannendes Wissen aus der Welt der Biotechnologie
Von den Anfängen der Bierbrauerei bis zur Genschere – Wir tauchen ein in die Geschichte, berichten über den aktuellen Stand der Forschung und wagen einen Blick in die Zukunft. Begriffserklärungen und Videos schärfen den Blick fürs Wesentliche. - Was hat die Steiermark mit Biotechnologie am Hut?
Gene von Hefepilzen verändern, riesige Industrieanlagen bauen oder mit Mikro-Algen die Haut schützen: Hier geht es zu Industriebetrieben aus der Steiermark, die vorzeigen, wie man mit Biotechnologie erfolgreich ist. - Das rätselhafte Ding: Wer kennt die Lösung?
Wer gerne fluffiges Brot und flaumige Kuchen bäckt, hat es leicht.