Lehrlingsausbildung in der Industrie

Lehrlingsausbildung in der Industrie - Pankl Racing
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Die steirischen Industriebetriebe zählen zu den wichtigsten Lehrlingsausbildungsstät­ten des Landes. Wir stellen mit der voestalpine Böhler Edelstahl GmbH & Co KG und der Zellstoff Pöls AG zwei unterschiedliche Konzepte zur Ausbildung von Lehrlingen vor und sprachen mit zwei Ausbildungsverantwortlichen über ihre persönlichen Zugänge und Erfahrungen.

voestalpine BÖHLER Edelstahl

Die voestalpine Böhler Edelstahl GmbH & Co KG nimmt in Kapfenberg jährlich 40 bis 50 Lehrlinge auf und bildet diese in zwölf verschiedenen technischen Berufen aus. Insgesamt werden aktuell rund 160 Lehrlinge von acht hauptberuflichen Ausbildner:in­nen ausgebildet.

Im Ausbildungszentrum der voestalpine Böhler Edelstahl folgt man dem Konzept der „trialen Ausbildung“. Das bedeutet, zusätzlich zur praktischen Ausbildung und dem Besuch der Berufsschule wird fachtheoretischer Unterricht und zusätzlich fachspezifische Laborübungen wie Hydraulik, Pneumatik, CNC- und SPS-Programmierung sowie Robotik, etc. angeboten. Für neu aufgenommene Lehrlinge im ersten Lehrjahr gibt es bei Bedarf wöchentlich drei Stunden Förderunterricht in Mathe­matik. Zusätzlich wird allen Lehrlingen wöchentlich zwei Stunden Turnunterricht im Ausbildungszentrum angeboten und das Unternehmen veranstaltet mit allen Lehr­lingen jährlich einen Wander- bzw. Badetag.

Besonders talentierte und engagierte Lehrlinge werden für ein Auslandpraktikum zu Buderus Edelstahl nach Wetzlar (D) geschickt. Für die Lehrlinge im 3. Lehrjahr besteht eine jährliche Kooperation mit der TU Wien: Gemeinsam mit Student:innen der FH Technikum Wien wird im Ausbildungszentrum Kapfenberg eine digitale Lernfabrik gebaut.

Zusätzlich bietet das Unternehmen seinen Lehrlingen eine ganze Reihe von Benefits, von der Kostenübernahme des Top-Tickets zur kostenlosen Nutzung der steirischen Verbundlinien bis hin zu verschiedensten finanziellen Anreizen.

„Mein persönliches Ziel ist es, alle Lehrlinge 3,5 Jahre zu begleiten und optimal auf die Lehrabschlussprüfung sowie auf das Arbeitsleben als Jungfacharbeiter vorzubereiten. Dazu ist es auch wichtig, ihre Lebenssituation und ihr persönliches Umfeld zu kennen, um auf jede Persönlichkeit individuell eingehen zu können. Die Jugendlichen kommen in der Pubertät zu uns, sie haben also eine schwierige Zeit, in der man immer wieder Rücksicht nehmen muss. Gleichzeitig muss man aber auch Regeln vorgeben, die strikt einzuhalten sind. Die immer sehr individuelle Mischung aus Strenge und Rücksichtnahme ist mein Erfolgsrezept für eine erfolgreiche Ausbildung.“

Elisabeth Stelzer, Ausbilderin für Zerspanungstechnik, hat 1981 als Lehrling bei voestalpine BÖHLER Edelstahl begonnen. Sie arbeitete anschließend selbst als Zerspanungstechnikerin und ist seit 2010 hauptberuflich Ausbilderin

Zellstoff Pöls AG

Die Zellstoff Pöls AG ist mit 500 Mitarbeiter:innen einer der größten Hersteller von elementar-chlorfreigebleichtem (ECF) Langfasersulfatzellstoff in Zentral- und Osteuropa mit dem Unternehmenssitz im steirischen Pöls. Das Unternehmen erzeugt am Standort auch Hygiene- und Verpackungspapiere. Als einer der bedeutendsten Arbeitgeber in der Region kann der Standort auf eine mehr als 300 Jahre alte Tradition zurückblicken.

In der Zellstoff Pöls AG wird der Großteil der Lehrlinge im Umfeld der Instandhaltung ausgebildet, aktuell 27 Personen in der Elektro- und Metalltechnik. Ergänzt wird dieses Lehrstellenangebot in den Bereichen Chemielabortechniker:in, Industriekaufmann/frau und vereinzelt IT-Technik.

Am Beginn des ersten Lehrjahres stehen zwei Monate, in denen in einer Lehrwerkstätte mit eigenem Maschinenpark in Kleingruppen von acht Personen Grundkenntnisse vermittelt werden – mit welchen Werkzeugen gearbeitet wird, notwendige Handfertigkeiten, etc. Anschließend nehmen die Lehrlinge an den laufenden Instandhaltungs-, Reparatur und Wartungsarbeiten im Unternehmen teil. Sie arbeiten im Rahmen eines modularen Ausbildungsplans an echten Aufträgen mit und durchlaufen in jedem Lehrjahr einmal jede Station. Mit zunehmendem Ausbildungs­stand können jedes Jahr neue Arbeiten praktisch ausgeführt werden.

Da die Zellstoff Pöls AG in der Elektro- und Metalltechnik kein produzierender Betrieb ist, besteht eine enge Kooperation mit dem nahen Schulungszentrum Fohnsdorf: Hier erfolgt für Metalltechniker:innen die Grundausbildung an Drehbank und Fräsmaschine, im dritten und vierten Lehrjahr wird für die Elektrotechniker:innen das Modul Prozessleittechnik in jeweils vier Wochen erarbeitet.

Ergänzend zum Ausbildungskatalog wird das Mathematikwissen gesondert gefördert, vor allem aber stehen soziale und kommunikative Aspekte im Vordergrund: Die Förderung sozialer Kompetenzen und des Zusammenhalts in der Gruppe wird durch Kennenlerntage, externe Kompetenztrainingstage und dem monatlichen Lehrlingssport gefördert. Wie wichtig diese Events sind, zeigte deren Corona-bedingter Ausfall der letzten zwei Jahre.

„Wer Lehrlinge ausbilden will, muss vor allem Empathie mitbringen. Das Unternehmen selbst, das Ausbildungsteam und jeder einzelne Lehrling: Jeder bringt seine Vorstellungen mit, die man in Einklang bringen muss. Man darf als Betrieb nicht glauben, dass die Werte und Beweggründe von früher eins zu eins in die Gegenwart übernommen werden können. In meiner Generation stand noch der Aufbau einer Existenz im Vordergrund, für die Lehrlinge von heute spielen Faktoren wie Work- Life-Balance und Selbstverwirklichung eine wesentlich stärkere Rolle. Das muss man mitnehmen und darauf aufbauen.“

Leiter der Lehrlingsausbildung in der Elektrotechnik ist Reinhard Wölfler. Herr Wölfler startete bei der Zellstoff Pöls AG mit einer Lehre zum Betriebselektriker im Jahr 1987 und war dann erst als Facharbeiter in der Werkstätte, anschließend in der Instand­haltungsplanung tätig, bis er die Lehrlingsausbildung übernahm.

Lehrlinge in der Industrie – Zahlen, Daten, Fakten

Lehrlingsausbildung: International führend

Wer im deutschsprachigen Raum (D, A, CH) eine Lehre absolviert, gehört zu den besten Fachkräften weltweit. Grund: Die duale Ausbildung und die Tatsache, dass Lehrlinge in der Ausbildung bezahlt werden.

Guter Verdienst von Anfang an

Industrielehrlinge verdienen überdurchschnittlich gut. Beispiel Metalltechnik-Lehrling im 4. Lehrjahr: mind. € 1750,– /Monat netto.

Job-Sicherheit

80 % der Industrielehrlinge sind 5 Jahre nach der Lehrabschlussprüfung noch immer im Ausbildungsbetrieb tätig.

Lehre ist beliebt

42 % aller 15-jährigen Steirer:innen eines Jahrganges machen eine Lehre.

Steigender Frauenanteil

2.700 Lehrlinge werden in Industriebetrieben ausgebildet. 22 % davon sind weiblich, Tendenz steigend.

Egal wie alt

Ab dem 9.Schuljahr kann man jederzeit eine Lehre starten!

Lehre NACH der Matura

In der Steiermark absolvieren derzeit 650 Maturant:innen, eine Lehre. Immer mehr Maturant:innen entscheiden sich für diesen Ausbildungsweg.


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