Außenhandel – Produzieren und Handeln in einer vernetzten Welt

Gespräch mit Thomas Krautzer
Virtuelle Weltkugel auf Konferenztisch

Die Steiermark ist ein “Exportland”. Wir haben beim Experten nachgefragt, warum eine positive Außenhandelsbilanz mit Erfolg gleichgestellt wird und uns über die Europäische Union unterhalten.

Sehr geehrter Herr Dr. Krautzer, Österreich und auch die Steiermark werden oft als „Exportland“ bezeichnet. Warum ist das so – und seit wann gibt es die „Exportwirtschaft“ im heutigen Sinne?

Herr Dr. Krautzer: Je kleiner ein Land ist desto exportabhängiger ist es aufgrund der geringen Größe des Heimmarktes. Die steirischen Industriebetriebe müssten durchschnittlich im April die Arbeit einstellen, würden sie nur für den heimischen Markt produzieren. Exportwirtschaft im heutigen Sinne gibt es, seit wir in Nationalstaaten organisiert sind. Denn ohne Grenzen gibt es keine Exporte.

Warum wird eine positive Außenhandelsbilanz mit wirtschaftlichem Erfolg gleichgestellt?

Herr Dr. Krautzer: Wenn der Wirtschaft eines Landes viele Güter aus dem Ausland abgekauft werden spricht das wohl für deren Qualität. Eine positive Handelsbilanz bedeutet weiters, dass man in Summe mehr ins Ausland verkauft als man einkauft. Damit kann die produzierende Wirtschaft zum Beispiel bessere Löhne zahlen, die dann ebenso wie höhere Staatseinnahmen der Allgemeinheit und auch allen anderen Wirtschaftsbereichen zugutekommen.

Wenn ein Land mehr exportiert als importiert, muss dann nicht ein anderes Land der „Verlierer“ sein?

Herr Dr. Krautzer: Der Außenhandel findet ja nicht nur zwischen zwei Ländern statt. Gerade in der globalisierten Welt ist das ein dichtes Netz, in dem praktisch jeder die Möglichkeit hat, entweder in einem Teilbereich besser zu sein als andere oder etwas anbieten zu können, das es andernorts nicht gibt, zum Beispiel Bodenschätze. Wichtig sind faire Handelsbedingungen für alle, wie es die WTO heutzutage zu regeln versucht.

Eine der zentralen Säulen der Europäischen Union ist der „gemeinsame Markt“. Was sind seine Vorteile?

Herr Dr. Krautzer: Export ohne Handelsabkommen bedeutet normalerweise, dass Waren durch Zölle teurer werden, dass für jedes einzelne verkaufte Produkt zeitraubende Bürokratie ansteht und dass man Waren an unterschiedlichste nationale Vorschriften anpassen muss, auch das macht die Produkte teurer. All das entfällt beim freien Warenverkehr innerhalb der EU.

Warum ist dann die Schweiz als kleines Land ohne EU-Mitgliedschaft wirtschaftlich so erfolgreich?

Herr Dr. Krautzer: Die Schweiz verfügt über sehr viele bilaterale Abkommen mit der EU. Der Import und Export von Gütern zwischen der Schweiz und der EU ist also auch kaum reglementiert. Allerdings hat die Schweiz einen klaren Nachteil: Sie muss im Rahmen dieser Abkommen die Regeln der EU übernehmen, ohne sie mitbestimmen zu können. Darüber redet die Schweizer Politik aber nicht so gerne.

Gibt es historische Beispiele, die den Erfolg von Handelsverträgen belegen?

Herr Dr. Krautzer: Prinzipiell führen Handelsverträge zu engen wirtschaftlichen Verflechtungen. Staaten und Regionen, die wirtschaftlich aneinander gebunden sind, tun sich wesentlich schwerer, Kriege gegeneinander zu führen. Tatsächlich ist internationaler Handel positiv für den Frieden. Die europäischen Länder haben über Jahrhunderte laufend Kriege gegeneinander geführt, das ist heute undenkbar. Auch die engen Handelsverflechtungen zwischen China und den USA sorgen dafür, dass diese zwei rivalisierenden Großmächte einander respektieren müssen.

Gibt es auch Beispiele für den Misserfolg?

Herr Dr. Krautzer: Misserfolge brachten Handelssysteme, die auf Ungleichheit der Handelspartner beruhten. Ein typisches Beispiel ist das Modell des Merkantilismus: Hier versuchten Staaten möglichst viel zu exportieren und andererseits die eigene Wirtschaft durch das Verhindern von Importen zu bevorzugen. Die Populisten von heute sind übrigens alle Merkantilisten. Wenn man aber in andere Staaten nur exportiert, ruiniert man deren Wirtschaft. Langfristig schadet man sich damit natürlich selbst. Außerdem konnte man den anderen Staaten dieses System meist nur durch Kriege aufzwingen. In der Extremform im Imperialismus.

Wir wechseln das Thema: Welchen Ratschlag können Sie aus Ihrer Erfahrung heraus den Jugendlichen von heute mit auf den Weg geben?

Herr Dr. Krautzer: Es ist mehr eine Bitte als ein Rat: Sucht aktiv Bildung und seid in positiver Weise offen. Alle aktuellen Diskussionspunkte und Krisen würden viel mehr Menschen bedürfen, die hinter manche Dinge blicken und ihre Grundlagen erkennen können. Neuen Herausforderungen kann man nur durch Risikobereitschaft und Selbstbewusstsein begegnen. Kleinmut und aggressive Abwehrhaltung sind immer der falsche Weg, das lehrt uns die Geschichte.


Dr. Thomas Krautzer

Langjähriger Geschäftsführer der IV-Steiermark, lehrt an der Karl-Franzes-Universität Graz Standortmanagement und Entrepreneurship


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Karrierewege und Ausbildungen in der Exportwirtschaft

EU – MEHR ALS EIN HANDELSABKOMMEN
Freihandel funktioniert dann am besten, wenn sich die Handelspartner auf – zumindest im globalen Vergleich – ähnlichen Niveaus befinden. Dies ist nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in demokratiepolitischer und rechtsstaatlicher Hinsicht zu sehen. Die Zusammenarbeit der Staaten in der EU ruht auf 3 Säulen:
1. Europäische Gemeinschaft
2. gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
3. Zusammenarbeit in der Justiz- und Innenpolitik
Eine gemeinsame Handelspolitik ist Teil der ersten Säule der EU. Um den Mitgliedsstaaten internationalen Handel zu ermöglichen, hat die EU mit mehr als 50 Staaten Abkommen zur Handelsliberalisierung abgeschlossen. Darüber hinaus unterhält Österreich 60 Investitionsschutzabkommen – alle EU-Staaten gemeinsam rund 1.400 – die potenziellen Investoren Rechtssicherheit bei Investitionen innerhalb der Staatengemeinschaft bieten.

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