Wir sprechen mit Thomas Krautzer über Ursachen des Fachkräftemangels, Chancen, die sich daraus für die Jungen eröffnen, und was man können sollte, um diese auch zu nutzen.
Die Industrie ist einer jener Wirtschaftsbereiche, in denen der Fachkräftemangel besonders akut ist. Welche Fachkräfte werden zukünftig gebraucht?
Der Begriff der Fachkräfte umfasst alle mit einer Fachausbildung, also von der Lehre, über HTL-, Fachhochschul- bis zu Universitätsabschlüssen. Aus den Unternehmen des produzierenden Sektors mit 34,2% der steirischen Wertschöpfung und der industrienahen Dienstleistungen mit weiteren 9% kommt eine klare Botschaft: Es werden in Zukunft 75% technisch Ausgebildete aus dem MINT-Bereich gebraucht und bei den anderen 25% sollte der kaufmännische Schwerpunkt überwiegen. Von den technischen Fachkräften sollten rund die Hälfte aus dem dualen Ausbildungssystem, also aus der Lehre kommen, 20% sollten dabei HTL-AbsolventInnen sein, 20% mit universitären und 10% mit FH-Abschlüssen.
Welche Fachbereiche sind besonders gefragt?
Auch wenn heute vor allem von der Digitalisierung und den entsprechenden Kompetenzen die Rede ist, darf man nicht übersehen, dass für die Produktion auch die Basics, also der Umgang mit Werkstoffen und die entsprechenden Fertigungstechniken gefragt sind. Das Schlagwort von der „Karriere mit Lehre“ hat also absolut seine Gültigkeit. Innerhalb der Digitalisierungskompetenzen geht es um Themen wie Automatisierung, Sensorik, Simulationen, Vernetzungen, Internet of Things, Beherrschung des Big Data und daraus resultierende Geschäftsmodelle. Im gleichen Pool sucht übrigens auch die Wissenschaft, was den Wettbewerb um die entsprechenden Kräfte noch vergrößert.
Wie drängend ist das Problem „Fachkräftemangel“ in der technikorientierten Wirtschaft wirklich?
Die Zukunft der steirischen Wirtschaft liegt in der Wissensökonomie, also im Vorantreiben von Innovationen und deren ökonomisch erfolgreiche Umsetzung für Weltmarktnischen. Die einzige Chance hier – gegenüber Ländern wie China, die die gleiche Richtung einschlagen – ist, schneller zu sein. Wir reden hier von Entwicklungszyklen von oft nur einem halben Jahr. Dafür braucht es Ressourcen an bestens ausgebildeten, kreativen Menschen. Jeder Mangel wirkt hier bremsend.
Seit vielen Jahren bemühen sich unterschiedlichste Initiativen darum, den SchülerInnen technische Berufe schmackhaft zu machen und das Interesse an den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu fördern. Muss man diesen Initiativen Erfolglosigkeit bescheinigen?
Nein, gar nicht, diese Initiativen sind durchaus erfolgreich, das sieht man etwa daran, wie sich das Image der Lehrberufe verändert. Wir hatten in jüngster Zeit Diskussionsgruppen mit Jugendlichen am Institut für Sozial-und Wirtschaftsgeschichte. Das Selbstbewusstsein der Lehrlinge war schon erstaunlich. Auch SchülerInnen und Studierende stehen der Lehre viel positiver gegenüber. Die wissen auch was Lehrlinge verdienen.
Warum ist das Problem „Fachkräftemangel“ dennoch so schlagend?
Früher haben wir von einer Bevölkerungspyramide gesprochen – also eine breite Basis an Kindern und Jugendlichen, dann verkleinern sich die Altersgruppen bis ins hohe Alter. Heute haben wir keine Pyramide sondern eine Zwiebel. Die ersten geburtenstarken Jahrgänge gehen in Pension. Diese Jahrgänge sorgten für 24.000 Geburten im Jahr, heute stehen wir bei 12 bis 13.000 in der Steiermark. Wir müssen tausende des demografischen Bauchs nicht nur in das Pensionssystem verabschieden, sondern auch am Arbeitsmarkt ersetzen.
Was gibt es an Lösungsansätzen für dieses Problem?
Da hilft uns auch die Automatisierung. Wenn wir das geschickt machen, haben wir einen nicht ganz so hohen Bedarf an Arbeitskräften, weil wir Wertschöpfung auch ohne Menschen machen, deren Qualifikation dafür aber passen muss. Dieser Effekt mindert zwar das Problem, löst es aber nicht. Wir müssen weiterhin in der Berufsorientierung die Scheu für Technik und Digitalisierung nehmen, die letztlich auch nur ein Werkzeug sind, dessen Nutzung man lernen kann. Weiters sind noch viel zu wenig Frauen, die sich diese Berufsbilder vorstellen können. Außerdem müssen Fehlqualifikationen minimiert werden, etwa durch Ausbildung und Umschulung. Trotzdem werden wir den Bedarf nicht decken können: Also braucht es auch erweiterte Pendlerräume und letztlich auch eine differenzierte und positive Diskussion über qualifizierte Zuwanderung. Da müssen wir uns als kleines Österreich aktiv positionieren.
Wie muss man sich das Arbeiten in der digitalen Welt eigentlich vorstellen? Kommunizieren dann alle nur noch via digitaler Medien miteinander?
Ganz im Gegenteil. Einer der Gründe, warum sich bei uns die Zentralräume – also der Großraum Graz und mit Potenzial nach oben der Raum Bruck – Kapfenberg so stark entwickeln ist, weil Wissensproduktion und Innovationen die menschliche Nähe benötigen. Innovation ist zum Teil soziale Interaktion. Tür an Tür, in der Cafeteria. Ab einem gewissen Punkt gehen -E-Mail, Videokonferenzen, etc., aber in der Kreationsphase ist der persönliche Kontakt unverzichtbar.
Was raten Sie jungen Menschen auf Basis Ihrer Erfahrungen für die Zukunft?
Ihr müsst das tun, was euch begeistert. Aber: Man muss auch gute Leistungen bringen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass alles sofort geht. Erwachsen zu werden bedeutet in erster Linie Verantwortung zu übernehmen: Für sich, für andere. Kurz: Don‘t work harder but smarter, but work!
Univ.-Prof. Mag. Dr. phil. Thomas Krautzer
Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der KFU Graz und Autor der „Stärkefeldmatrix Steiermark“
Linkliste
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