Industrie 4.0 – Herausforderungen für Mensch und Wirtschaft

Gespräch mit Udo Traußnigg und Wolfgang Zitz
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Die vierte Industrielle Revolution: Chancen oder Gefahr? Wir haben zwei Experten gefragt, welche Veränderungen auf uns zukommen werden.

Ein Schlagwort das aktuell durch die Medien geistert ist Industrie 4.0. Was versteht man darunter?

DI Dr. Udo Traußnigg: Der Begriff wurde in Deutschland geprägt und soll die vierte in­dustrielle Revolution zum Ausdruck bringen. Die ersten drei kann man verkürzt dargestellt mit Mechanisierung, Elektrifizierung und Au­tomatisierung beschreiben. Kernidee ist die Informatisierung der industriellen Produk­tion durch den Einzug neuartiger Informa­tions- und Kommunikationstechnologien in die Fabrik. 

Sehen Sie mehr Chancen oder Gefahren für Österreich und Europa?

DI Dr. Udo Traußnigg: Weltweit wird zu diesem Thema geforscht und investiert, wenngleich unter unterschiedlichem Na­men. Deshalb muss ein technologieorientiertes Land wie Österreich die Chance nutzen bei diesem Thema von Anfang an und ganz vorne dabei zu sein. Industrie 4.0 wird so­wohl in neuen als auch in bestehenden Sys­temen umgesetzt, was natürlich auch mit Risiken verbunden ist. Dies betrifft vor allem die Abwägung ob und wann der Aufwand einer Umstellung gerechtfertigt ist oder nicht. Aber auch für die Reduzierung dieses Risikos gilt es in Forschung und Entwicklung schneller zu sein als andere.


Welche Bereiche/Branchen verändert Industrie 4.0 am stärksten?

DI Dr. Udo Traußnigg: Grundsätzlich sind über kurz oder lang alle Branchen davon be­troffen, weil letztendlich versucht wird, ein­en Kundennutzen zu stiften und dies in allen Branchen dasselbe Ziel ist. Der Kunde kann dabei sowohl der Endverbraucher, als auch ein anderes Unternehmen sein. Sehr stark werden die Auswirkungen auf die Qualifika­tion von MitarbeiterInnen sein. Hier wird vor allem die Informatik branchenübergreifend einen noch größeren Stellenwert erreichen. Denn letztendlich wird eine Vielzahl neuer digitaler Geschäftsmodelle entstehen.

Herr Dr. Zitz, Ihr Unternehmen ist ein steirischer Leitbetrieb im Automotive Bereich. Wie äußert sich Industrie 4.0 bereits jetzt bei Magna Steyr bzw. mit welchen Veränderungen rechnen Sie in der Zukunft?

Dr. Wolfgang Zitz: Wir bei Magna Steyr haben die Vision, unsere reale Produktion in Echtzeit am Computer abzubilden. Mit Hilfe intelligenter Simulationssoftware können wir dann neue Betriebszustände wie z.B. Änderungen der Stückzahlen oder Ausstat­tungsvarianten – ausgelöst durch die sich ändernden Marktanforderungen – am Com­puter optimieren und die neuen Zustände schnell und flexibel in die Praxis integrieren. Das spart Zeit und Geld. Wir sind auf einem guten Weg in Richtung dieser Vision, es gibt aber auch noch genug zu tun.

Welche Auswirkungen erwarten Sie durch diese Entwicklungen auf Arbeitsplätze und Qualifizierung?

Dr. Wolfgang Zitz: Hier muss man zwischen den Mitarbeiter:innen in der Fertigung und jenen in den zuarbeitenden Bereichen (Pla­nung, Instandhaltung, …) unterscheiden. Für die Produktionsmitarbeiter:innen werden die Arbeitsplätze ergonomisch besser konzipiert sein – das ist auch wichtig im Hinblick auf ein altersgerechtes Berufsleben – Thema „demographischer Wandel“. Körperlich schwere und eintönige Arbeiten werden durch Roboter unterstützt werden, die Hand in Hand mit den Menschen tätig sein kön­nen, während sich die MitarbeiterInnen auf die anspruchsvollen Tätigkeiten, wie z.B. Feinpositionierung, konzentrieren. Bei den zuarbeitenden Bereichen wird die Anforde­rung an die systemseitige Qualifizierung si­cher steigen.

Wir wechseln das Thema: Welchen Ratschlag können Sie aus Ihrer Er­fahrung heraus den Jugendlichen von heute mit auf den Weg geben?

Dr. Wolfgang Zitz: Ohne entsprechende Ausbildung geht gar nichts. Neben einer klassischen inhaltlichen Ausbildung sind die Themen Mitarbeiterführung (social skills), Projektmanagement aber auch Fremd­sprachen wichtig, um im Berufsleben beste­hen zu können. Weiters muss man mutig sein – wenn sich die Gelegenheit für einen Aufstieg bietet, darf man nicht zu lange überlegen – sonst ist der Slot vorbei. Und drittens muss man lernen auf seinen Körper zu hören, um die richtige Balance zwischen Beruf und dem restlichen Leben zu finden.

DI Dr. Udo Traußnigg: Dieser Meinung schließe ich mich gerne an.


DI Dr. Udo Traußnigg
Leiter des Studiengangs Automatisierungstechnik an der FH Campus 02 und Mitbegründer der Plattform Automatisierungstechnik

Dr. Wolfgang Zitz
Produktions- und Werksleiter bei Magna Steyr Fahrzeugtechnik in Graz


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