Österreichs möglicher Beitrag zu Klimaschutz & Energieeffizenz

Gespräch mit Stefan Schleicher
Grafik: Glühbirne mit Blatt
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Univ.-Prof. Dr. Stefan Schleicher im Gespräch über den möglichen Beitrag der österreichischen Wirtschaft zum globalen Klimaschutz und realistische Lösungsansätze für eine komplexe Herausforderung.

Der Anteil Österreichs an den globalen Treibhaus­gasemissionen liegt unter 1%. Wie wichtig ist der Beitrag, den wir leisten können, tatsächlich?

Ich sehe zwei Motivationen für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten insbesondere im Bereich der energie- und emissionsinten­siven Industrie. Wenn wir hier Technologien entwickeln, die radikal weniger Treibhaus­gase emittieren, verbessern wir erstens un­sere eigene CO²-Bilanz und Österreich kann zweitens gerade bei der Transformation dieser energie- und emissionsintensiven Industrie weltweit zum Technologieführer werden. Zusätzlich reduzieren wir damit auch unsere eigene internationale Abhän­gigkeit von fossilen Rohstoffen und binden damit verstärkt Wertschöpfung im Inland.

Wie sieht der Weg von jährlich 80 Gigatonnen hin zu null Treibhausgasemissionen aus?

Nur mit der Umstellung auf erneuerbare Energien ist das nicht machbar, wir müssen auch die Effizienz der Nutzung von Energie deutlich erhöhen. Das wird wohl mehr Zeit brauchen, allerdings müssen wir alle – also Politik, Wirtschaft und Konsumenten:innen – unsere Herangehensweise an das Thema grundlegend ändern. Wir haben dazu das Modell der drei „I“ entwickelt – Innovation, Integration und Inversion – um aus der Tunnelperspektive der jetzigen Energiedi­skussion herauszukommen.

Können Sie uns diese drei Begriffe bitte näher erläutern?

Bei der Innovation, also der Entwicklung neuer Technologien, ist wichtig, dass man nicht nur ein Detailproblem im Blick hat, für das man eine neue Lösung sucht, son­dern sich die ganze Wertschöpfungskette ansieht. Das führt uns zum zweiten Begriff, der Integration. Die Wertschöpfungskette der Energie reicht von der Erzeugung über die Transformation, die Speicherung und die Verteilung bis zur Verwendung. Erneuerbare Energie hat nur die Erzeugung im Blick. Integration bedeutet, Synergieeffekte zwischen unterschiedlichen Puzzlesteinen zu schaffen. Ein Beispiel: Es gibt bereits viele Installationen von Photovoltaik. Aber erst, wenn ich diese Erzeugung mit kleinen, leistbaren Batterien für die Speicherung kombinieren kann, wird das System wettbewerbsfähig werden.

Und der dritte Begriff?

Der dritte Begriff lautet Inversion. Einfach erklärt heißt das, dass man die übliche Ar­gumentation auf den Kopf stellen muss. Wir beginnen nicht beim Input des Energiesys­tems, also bei der Erzeugung, sondern wir fragen zuerst, wofür die Energie verwendet wird. Beim Verbrauch entdecken wir dann zum Beispiel die „Anergie“, das ist Abfall­energie, etwa das heiße Wasser, das wir von Geschirrspülern und Waschmaschinen in den Abfluss leiten. Dabei könnte man diese Energie mit Wärmetauschern wieder nutzbar machen.

Das klingt sehr klein, brauchen wir nicht dringend eine große Lösung?

Es sind die Emotionen rund um das Thema Klima, die nach großen Lösungen verlan­gen. Ich warne vor dem Klima-Hype; unser Weg am Wegener Center und am Institut für Wirtschaftsforschung führt daher über lösungsorientierte Konzepte. Das ist ein Weg vieler kleinerer und größerer Schritte. Bei näherem Hinsehen erkennen wir auch, dass wir nicht nur das Klimaproblem zu lösen haben, sondern viele Felder, die damit verbunden sind. Etwa unser Mobilitätsverhalten – also die Frage, wie wir uns Zugang zu Menschen, Gütern und Orten verschaf­fen. Wir werden viel Mobilität durch unser Kommunikationsverhalten ersetzen, etwa durch Videokonferenzen oder durch das Arbeiten von zuhause aus. Der inzwischen verstorbene Physiker Steven Hawking nahm schon als holografische Projektion an einer Konferenz in Australien teil, obwohl er tatsächlich in Cambridge war. Auch das 3D-Printing, also etwa Produkt- und Ersatz­teilbeschaffung vor Ort statt langer Trans­portwege ist hier zu nennen. Ein Beispiel wäre hier die US-Navy, die Ersatzteile bis hin zu Turbinenblättern auf den Schiffen selbst produziert.

Lässt sich bei all diesen Veränderun­gen ein Trend ableiten?

Wir brauchen in vielen Bereichen mehr Regionalisierung, von den Energiesystemen mit Smart Grids bis zur Arbeitswelt und der Produktion. Es ist aber ein weiter Weg, bis diese Veränderungen nicht nur technologisch möglich sind, sondern auch in der Bevölkerung und in unserem Verhalten ankommen.

Was raten Sie jungen Menschen auf Basis ihrer persönlichen Erfahrungen für die Zukunft?

Man kann sich nicht genug unterschiedliche Qualifikationen aneignen, möglichst weit gestreut. Nutzen Sie jede Möglichkeit ins Ausland zu gehen, egal welcher Schultyp und ich meine natürlich auch Lehrlinge. Damit ist das Erlernen mindestens einer Fremdsprache verbunden und der Umgang mit den neuen Werkzeugen der Informatik, da kann man sich nicht genug aneignen. Wir brauchen einen Lebensstil der digitalen Nomaden, denn Nomaden sind es gewöhnt, sich in unterschiedlichsten Umgebungen rasch anzupassen.


Univ. Prof. Dr. Stefan Schleicher

ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz und Konsulent am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit sind zukunftsfähige Wirtschaftsstrukturen, vor allem in den Bereichen Energie und Klima.


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