Mit einer innovativen Geschäftsidee besonders schnell zu wachsen, das ist die Idee hinter Start-ups. Warum es von 10.000en Start-ups nur ganz wenige an die Spitze schaffen, welche Persönlichkeiten es dafür braucht und warum Start-ups wichtig für die Zukunft unserer Wirtschaft sind: Darüber sprechen wir mit Oliver Holle, Mitbegründer, CEO und Managing Partner des Start-up Investors Speedinvest.
Herr Holle, über all dort, wo junge Unternehmen innovative Lösungen entwickeln, ist von Start-ups die Rede. Was ist ein Start-up tatsächlich?
Ein Start-up ist ein neu gegründetes Unternehmen mit einer besonderen Zielsetzung. Zwar wird der Begriff oft als Synonym für ein junges, dynamisches Unternehmen verwendet, in der Fachwelt gibt es aber ein klares Unterscheidungsmerkmal zu anderen Neugründungen: Es geht darum, dass man mit einer innovativen Geschäftsidee versucht, besonders schnell zu wachsen. Das Wachstum ist das Unterscheidungskriterium zu anderen Unternehmen. Dabei reden wir von 200 bis 300 Prozent jedes Jahr. Daraus folgt vieles: Ein Start-up braucht eine überzeugende Idee, die am Markt eine Chance hat. Es braucht Geld, um investieren zu können: in Produktentwicklung, Personal, Räumlichkeiten, etc. Dieses Geld kommt nicht von Banken, sondern von Investor:innen mit Risikokapital. Um das umzusetzen, braucht es ein sehr engagiertes Gründerteam, das bereit ist, alle verfügbare Energie in das Unternehmen zu stecken, für die eigene Idee zu brennen und mit viel Einsatz andere – Mitarbeiter:innen, erste Kund:innen ebenso wie Investoren:innen – mit ihrer Begeisterung anzustecken.
Wer investiert in Start-ups?
Investitionen in Start-ups sind hoch riskant. Man muss bereit sein, Experimente einzugehen. Wer in zehn Start-ups investiert muss damit leben, zweimal zu gewinnen und achtmal zu verlieren. Der Gewinn aus den zwei Investitionen muss also so hoch sein, dass er die Verluste wettmacht. Darum muss eben auch das Wachstum eines erfolgreichen Start-ups hoch sein, denn es muss für seine Investor:innen die Verluste der anderen Start-ups ausgleichen. In Österreich gibt es sehr gute öffentliche Förderstrukturen, die Start-ups in der Startphase unterstützen und so auch eine Alternative oder Ergänzung zu privaten Investoren bieten. Hier ist Österreich gut aufgestellt.
Wie sehen die ersten Jahre eines Start-ups aus?
Erste Investor:innen sind in der Regel Business Angels. Sie halten eine vorgestellte Idee für umsetzbar und kaufen sich mit fünf bis 20 Prozent in ein Start-up ein. Ist das Start-up tatsächlich erfolgreich, verkaufen sie ihren Firmenanteil um einen vielfachen Wert an einen Fonds wie etwa Speedinvest, der wieder Risikokapital investiert. Das Start-up muss weiter wachsen, damit der Fonds seinen Anteil nach wenigen Jahren wieder mit Gewinn weiterverkaufen kann. So entstehen in relativ wenigen Jahren sehr große Firmen mit sehr hohen Werten im Milliardenbereich, die sich am Markt aber noch immer erst beweisen müssen. Die Investitionsspirale dreht sich so lange, bis aus Start-ups Unicorns geworden sind. Als Unicorn bezeichnet man ein Start-up, dass einen Wert von mehr als einer Milliarde Euro erreicht hat – die sind so selten, dass man sie als Unicorns, also als Einhörner, bezeichnet.
Wieviele Unicorns gibt es in Österreich?
Diese Grenze übersprungen haben zwei: Das Nachhilfeunternehmen „GoStudent“ und das Finanzunternehmen „Bitpanda“. Ein drittes wäre „Dynatrace“, ein Linzer Software-Unternehmen, das inzwischen an der Börse notiert und deshalb heute nicht mehr zu den Start-ups zählt.
Wieviele Start-ups gibt es denn?
Das ist schwer zu überblicken. Allein auf meinem Schreibtisch landen jedes Jahr rund 10.000 Ideen, die auf ein Investment hoffen. Wir diskutieren die Chancen dieser Ideen in einem Team von Expert:innen, übrig bleiben jedes Jahr 20 bis 30 Projekte, in die wir tatsächlich einsteigen. Natürlich sind wir nicht die einzigen Ansprechpartner:innen, aber bei anderen ist es letztlich ähnlich. Die Chancen, für eine einzelne Geschäftsidee an Geld zu kommen, sind also wirklich gering.
Wenn das Investitionsrisiko für Anleger:innen so hoch ist und die Chancen für das einzelne Start-up so gering – warum sind Start-ups dann in aller Munde?
Die wenigen Start-ups, die dann letztlich erfolgreich sind, schaffen tausende Arbeitsplätze und sichern den Standort. Jede Volkswirtschaft wird von Leitbetrieben getragen, die für viele Arbeitsplätze sorgen, Steuern zahlen und die gesamte Wirtschaftsleistung vorantreiben. Aber kein Unternehmen besteht dauerhaft, praktisch alle verschwinden nach ein paar Jahrzehnten und werden durch neue ersetzt. In den USA investiert man seit rund 30 Jahren in Start-ups, heute sind rund die Hälfte der zehn größten Unternehmen als Start-up gegründet worden, in Europa sind es gerade einmal zwei von zehn. Das Fördern der Start-up-Szene beruht also auf der Hoffnung, dass man mit diesem Weg durch Selektion der Besten langfristig ausreichend neue Großunternehmen aufbaut, die die wirtschaftliche Zukunft Europas bzw. der europäischen Staaten sichern helfen.
Welchen Ratschlag können Sie aus Ihrer Erfahrung den Jugendlichen von heute mit auf den Weg geben?
Mein Rat: sich viel zutrauen, mal Dinge ausprobieren, und sich nicht zu früh auf irgendeinen Karrierepfad festlegen. Man kann zum Beispiel bei einem Start-up ein Praktikum machen und herausfinden, ob einem das Spaß macht!
Oliver Holle
Im Jahr 2011 kehrte er nach Österreich zurück und ist seither einer der aktivsten Investor:innen in Europa eingestuft.
Im Jahr 1997 gründete Oliver Holle mit 27 Jahren eines der ersten europäischen Internet-Start-ups. Nach zwei erfolgreichen Fusionen wurde 3united, ein Unternehmen der Mobil-und Internetbranche, im Jahr 2006 für 55 Millionen Euro an den US-Giganten VeriSign verkauft, woraufhin Oliver Holle mehrere Jahre für das Unternehmen im Silicon Valley arbeitete und das Mobilfunkgeschäft mit mehr als 600 Mitarbeiter:innen verantwortete.
Motor für die Zukunft der Wirtschaft – Gespräch mit Oliver Holle