Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Köppl-Turyna weiß, warum sich Unternehmen in einer Region ansiedeln, wo die Steiermark als Standort schon punktet und wo es Nachholbedarf gibt.
Was sind denn überhaupt Standortfaktoren?
Köppl-Turyna: All jene Faktoren, die dafür relevant sind, dass sich ein Unternehmen an einem Ort ansiedelt und dort entsprechend Arbeitsplätze zur Verfügung stellt.
Welche Standortfaktoren gibt es?
Köppl-Turyna: Die Standortfaktoren sind für alle Länder mehr oder minder ähnlich. Unternehmen wollen sich in Ländern ansiedeln, wo hohe Rechtssicherheit herrscht. Ein Thema ist also, ob in einem Land garantiert werden kann, dass es zu keinen Enteignungen kommt, dass Verträge eingehalten werden können, dass Rechte von Unternehmer:innen und Investor:innen gesichert sind. Österreich als entwickeltes Land und auch Europa generell sind in einer guten Position. Für ein Unternehmen kommt es aber auch darauf an, wie schnell und teuer Verfahren in einem Land abgewickelt werden: Wie lange dauert es, bis ich eine Genehmigung oder einen Gewerbeschein bekomme, sodass ich mich überhaupt an die Arbeit machen kann? Und wie viel kostet das? Es ist in manchen Ländern günstiger, ein Unternehmen zu gründen als in anderen. Und dann kommt es darauf an, ob es an einem Ort ausreichend ausgebildetes Personal gibt, eine gute Infrastruktur, Straßen- und Zuganbindungen, Stromversorgung und so weiter. Außerdem relevant sind die Belastungen für ein Unternehmen: Wie hoch sind die Steuern, sowohl auf die Arbeit als auch zum Beispiel auf die Gewinne der Unternehmen oder auf Ausschüttungen. Dazu zählt zum Beispiel die Kapitalertragssteuer, also jene Steuer auf Geld, das man mit Ersparnissen oder Aktien verdient.
Harte und weiche Standortfaktoren
Standortfaktoren sind Kriterien, die Unternehmen bei der Wahl eines Standorts berücksichtigen. Man unterscheidet dabei zwischen harten und weichen Standortfaktoren.
Harte Standortfaktoren sind messbare und objektive Gegebenheiten eines Standorts. Sie lassen sich in Zahlen ausdrücken und vergleichen. Diese Faktoren beeinflussen direkt die Kosten und den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Beispiele hierfür sind:
-Verkehrsanbindung: Wie gut ist der Standort an Straßen, Schienenwege oder Flughäfen angebunden?
-Steuern und Abgaben: Wie hoch sind die lokalen Steuern und Gebühren?
-Arbeitsmarkt: Gibt es genügend qualifizierte Arbeitskräfte vor Ort?
-Miet- und Grundstückskosten: Wie teuer sind Immobilien oder Flächen am Standort?
-Verfügbarkeit von Rohstoffen: Sind benötigte Rohstoffe in der Nähe verfügbar?
Weiche Standortfaktoren sind hingegen teils schwer messbare, oft subjektive Kriterien, die dennoch die Attraktivität eines Standorts beeinflussen. Dazu zählen:
-Lebensqualität: Wie ist die allgemeine Lebensqualität am Standort?
-Bildungsangebote: Wie gut sind Schulen, Universitäten und Weiterbildungsmöglichkeiten?
-Image des Standorts: Welchen Ruf hat der Standort bei Kund:innen und Geschäftspartner:innen?
-Politisches Klima: Wie stabil und unternehmensfreundlich ist die lokale Politik?
-Kultur- und Freizeitangebote: Gibt es kulturelle Einrichtungen, Freizeitmöglichkeiten oder Naherholungsgebiete?

Welche Standortfaktoren sind in Österreich schon gegeben? Woran mangelt es?
Köppl-Turyna: In Wettbewerbsrankings werden die Standortfaktoren von verschiedenen Ländern regelmäßig bewertet. Was für Österreich zumeist positiv hervorgehoben wird, sind zum Beispiel die öffentliche Infrastruktur und gut ausgebildetes Personal. Wir haben ein gutes Bildungssystem, insbesondere mit der dualen Ausbildung und damit mit der Ausbildung von Fachkräften. Etwas schwieriger wird es, wenn es um Verfahrensdauer und Verfahrenskosten geht und darum, wie flexibel das ganze System in Österreich ist, wenn man sich adaptieren oder etwas Neues machen will. Und wo wir gar nicht gut abschneiden im internationalen Vergleich, ist die Belastung durch bürokratische Hürden und die steuerliche Belastung. Die Kosten für Unternehmen sind in Österreich wesentlich höher als anderswo. Und das nicht nur wegen der Löhne für Arbeitskräfte, sondern primär wegen der Abgaben, die man noch darüber hinaus leisten muss.
Und wie sieht es speziell in der Steiermark aus?
Köppl-Turyna: Der größte Teil der Wertschöpfung der Steiermark wird durch die Industrie getragen. Das hängt mit sogenannten Hubs zusammen, wo die Industrie, also Unternehmen, mit guten Ausbildungsstätten zusammenarbeiten können. Was sich in der Vergangenheit leider verschlechtert hat, sind die Energiepreise. In der Steiermark haben wir recht viele Unternehmen, die sehr energieintensiv sind. Diese Unternehmen kämpfen gerade und überlegen, ob der Standort Österreich in diesem Kontext nicht zu teuer wird.

Welche Branchen haben sich aufgrund der Standortfaktoren in Österreich und in der Steiermark angesiedelt?
Köppl-Turyna: Da haben wir ein Von-Bis. Österreich ist ein Weltmeister in Nischenmärkten. Es gibt sehr viele mittelständische Unternehmen, die zwischen ein paar 100 und ein paar 1000 Mitarbeiter:innen haben. Sie sind einerseits in ganz spezifischen Märkten unterwegs oder beschäftigen sich andererseits mit Teilen der Wertschöpfungskette, die nicht auf Endprodukte abzielen, die wir im Supermarkt sehen. Vielmehr beliefern die Unternehmen andere Unternehmen mit Produkten, die Zwischenstufen für ein Endprodukt darstellen. Die Steiermark ist zum Beispiel stark im Liefern von Autoteilen und Elektronikprodukten für größere Endprodukte. Aber auch in der Stahlproduktion gibt es in der Steiermark Standorte. Man unterschätzt, wie viel tatsächlich in Österreich produziert wird, weil es sich nicht um Produkte handelt, die man Supermarkt sieht. Aber es sind Produkte, die dann Komponenten des Produktes im Supermarkt sind.
Wie hat sich das entwickelt, dass sich Unternehmen mit Nischenprodukten und Zwischenprodukten gerade in Österreich ansiedeln?
Köppl-Turyna: Das ist sicher zum Teil auch von der Geschichte des Landes mitbestimmt. Es gibt Unternehmen, die sich irgendwann aus kleinen Unternehmen entwickelt haben und dann durch gute Geschäftsentscheidungen erkannt haben, welche Welttrends es gibt und sich an diesen Trends orientiert haben. Und da Österreich als Land klein ist, ist es schwierig, so etwas wie eine ganze Autoproduktion, also eine Endproduktion, zu schaffen. Da braucht es ein signifikant größeres Land, damit man mehr Produkte zu günstigeren Preisen produzieren kann. So eine Firma wie Volkswagen ist für Österreich viel zu groß. Aber für die einzelnen Komponenten für die Autoproduktion ist Österreich perfekt.
Was spielen aktuelle Infrastrukturprojekte wie die Koralmbahn für eine Rolle?
Köppl-Turyna: Die sind enorm wichtig. Meine Kolleginnen haben zum Beispiel den Koralmtunnel vor ein paar Jahren evaluiert und festgestellt, dass er maßgeblich dazu beitragen wird, dass wir auch mehr Arbeitskräfte aus anderen Regionen holen können, insbesondere aus Kärnten. Einfach, weil die Arbeitskräfte dann leichter pendeln können. Das wird den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel ein bisschen entschärfen. Viele Unternehmen sitzen in Österreich auch nicht in Ballungsräumen und tun sich schwer, für Arbeitskräfte attraktiv zu bleiben, wenn es keine gescheite Verbindung gibt oder auch keine Kindergartenplätze für die Kinder. Da könnte eine bessere Zugverbindung auch helfen. Auch für den Gütermärkte-Absatz bringt es Vorteile: Unternehmen müssen ja auch mit Zügen ihre Produkte transportieren können, die dann irgendwo in Deutschland in einen Automotor eingebaut werden oder nach Rotterdam zum Hafen fahren und von dort verschickt werden.

Wie steht die Steiermark mit Bildungsangeboten da?
Köppl-Turyna: Wir haben in Graz rund um die Universitäten herum sehr starke Kooperationen mit Industrieunternehmen, insbesondere mit der Technischen Uni, wo sehr viele neue Technologien entwickelt werden, die dann in Innovation und neue Produkte fließen. Was aber nicht so gut funktioniert, ist die Elementarbildung. Die Steiermark hat die rote Laterne im Bundesländervergleich, was die Betreuungsquote der unter Dreijährigen betrifft. Es gibt definitiv Luft nach oben. Wenn wir jetzt nicht rechtzeitig investieren, dann haben wir in zehn, 15 oder 20 Jahren leider schlechter ausgebildete Kinder als in anderen Bundesländern oder in anderen Ländern. Man weiß, dass der Kindergarten zum Beispiel wesentlich dafür ist, dass Kinder gut Deutsch sprechen und Schlüsselfähigkeit erlernen, die dann in der Schule gebraucht werden, damit die Kinder später zu einer produktiven Arbeitskraft werden können.
Wie hat der Ukrainekrieg die Standortfaktoren in der Steiermark und in Österreich verändert?
Köppl-Turyna: Die Energiekrise ist die direkte Folge des russischen Angriffskrieges. Das hat offenbart, dass wir in Österreich in der Vergangenheit einen Vorteil davon gehabt haben, dass Gas bei uns günstig war und energieintensive Unternehmen bei uns stark mit diesem günstigen Gas gearbeitet haben. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, wir müssen die Weichen stellen: Die einzige Lösung, den Standort zu verbessern, ist massiv weiter in erneuerbare Energie zu investieren, aber auch in die öffentliche Infrastruktur und in die Speichermöglichkeiten dahingehend. Zum Beispiel hat voestalpine als Unternehmen festgestellt, dass sie Stahl mit Strom produzieren kann, aber sie braucht eine sehr starke Leitung, die diesen zum Unternehmen bringt. Das kann das Unternehmen selbst nicht zur Verfügung stellen. Die öffentliche Hand muss hier Anreize setzen, um den Standort zu verbessern.
Welche Herausforderungen sehen Sie noch in Bezug auf Standortfaktoren?
Köppl-Turyna: Die größte Herausforderung ist, dass in Österreich seit drei, vier Jahren weniger investiert wird. Wir haben das dritte Jahr eine Rezession. Unternehmen kämpfen mit den hohen Energiekosten und mit dem Thema Arbeitskräfte. Und aufgrund dieser hohen Kosten wird weniger exportiert als in der Vergangenheit. Wichtig ist, dass wir nicht alles werden retten können, ein Autozulieferant kann vielleicht nicht mehr überleben, weil weltweit einfach weniger Verbrennungsmotoren produziert werden. Aber wir müssen dafür sorgen, dass neue Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen und neuen Ideen kommen, und diese Unternehmen müssen wieder investieren können. Da ist eine Reihe an Schritten notwendig, um diese Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten: Wir müssen den Ausbau der erneuerbaren Energie, die Infrastruktur und die Qualität der Bildung im Auge behalten.
Welche Rolle spielen denn Handelsmöglichkeiten?
Köppl-Turyna: Eine große Rolle. Österreich hat eine sehr hohe Exportquote. Insbesondere Industrieunternehmen setzen ihre Güter primär auf den Weltmärkten ab. Also zuerst einmal in der Europäischen Union, weswegen es auch sehr wichtig ist, dass wir Teil der EU sind – innerhalb der EU sind unsere wichtigsten Handelspartner. Gerade kleinere Länder wie Österreich können sich innerhalb der EU international gut entwickeln. Und nach der EU kommen gleich die Vereinigten Staaten als Handelspartner. Dass US-Präsident Donald Trump mit Strafzöllen droht, ist eine beunruhigende Entwicklung, weil wir als Europa in einer schlechteren Position sind: Am Ende des Tages sind wir mehr abhängig von Exporten als Trump. Wir werden mehr verlieren, wenn Handelskriege zustande kommen. Seit ein paar Jahren gibt es diesen zunehmenden Verlust des Vertrauens zwischen den Ländern, weil die einzelnen Länder mit Souveränität argumentieren. Das ist ein schönes Wort dafür, dass sich die Länder davor schützen wollen, dass ihnen andere Länder ihre Technologien abluchsen. Die Kostenseite dieser Entwicklung ist, dass sich die Länder zunehmend protektionistisch verhalten.
Österreich als Teil der EU
Dass Österreich Teil der Europäischen Union (EU) ist, spielt eine Rolle für den Wirtschaftsstandort. Seit dem Beitritt im Jahr 1995 hat Österreich erheblich vom Zugang zum Markt innerhalb der EU profitiert. Die Exporte in diesen Markt haben sich seitdem mehr als verdreifacht, etwa 70 Prozent der österreichischen Exporte gehen in andere EU-Mitgliedstaaten. Das zeigen aktuelle Daten von Statistik Austria aus dem Jahr 2023. Für die Steiermark lässt sich aus den Daten ablesen, dass aktuell drei von vier in der Steiermark hergestellten Produkte exportiert werden, 46,7 Prozent davon nach Deutschland. Ökonomin Monika Köppl-Turyna sagt: „Die bloßen Zahlen zeigen, dass wir ohne EU wahrscheinlich 3.000 bis 4.000 Euro weniger pro Jahr und pro Person an Einkommen hätten, weil die EU so massiv geholfen hat, dass sich gerade kleinere Länder wie Österreich international gut entwickeln können.“
Innerhalb der EU gilt freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Österreich kann also zum Beispiel Produkte und Dienstleistungen einfacher in andere Länder verkaufen, ohne hohe Zölle oder komplizierte Regeln. Das gilt auch für Produktstandards: Zum Beispiel kann ein österreichisches Unternehmen seine Produkte problemlos nach Deutschland verkaufen. Und ein Produkt, das aus Deutschland importiert wird, ist automatisch auch in Österreich zugelassen. Außerdem können Menschen innerhalb der EU ohne großen Aufwand reisen, studieren oder arbeiten, es herrscht freier Personenverkehr. Das hilft Unternehmen in Österreich, mehr Arbeitskräfte zu finden. Durch die EU werden auch Straßen-, Schienen- und Schulprojekte gefördert, was die Infrastruktur in Österreich und somit den Standort an sich verbessert. Insgesamt hat die EU-Mitgliedschaft Österreich als kleinen, exportorientierten Wirtschaftsstandort gestärkt und Arbeitsplätze geschaffen.
Spannendes Hintergrundwissen: EU/Österreich
Wie kann man sich gegen die angedrohten Strafzölle wappnen?
Köppl-Turyna: Wir müssen unabhängig von den Zöllen wettbewerbsfähiger werden. Gerade angesichts dessen, dass wir aufgrund der hohen Energie- und Lohnstückkosten in den letzten Jahren teurer geworden sind als unsere Konkurrenzländer. Aber wappnen können wir uns nicht wirklich. Wichtig ist, dass auf der EU-Ebene klar gegen so eine Entwicklung dagegengehalten wird.
Würden Sie – Stand jetzt – die Steiermark als guten Handelspartner bezeichnen?
Köppl-Turyna: Selbstverständlich. Der Exportvorteil in der Steiermark ist wahrscheinlich noch höher als im Österreichschnitt, weil es eben so viele Industrieunternehmen hier gibt, die mit dem Ausland Handel treiben. Umgekehrt ist es aber auch wichtig, dass wir Vieles importieren können. Gerade für die Energiewende brauchen wir Komponenten wie Lithium, um Speicherbatterien herzustellen. Und Lithium kommt nicht aus der Steiermark. Deswegen ist es wichtig, dass solche Importgüter auch zu uns kommen. Ohne sie werden wir die Herausforderungen nicht meistern können.

Handelsabkommen
Zwei oder mehrere Länder können untereinander Abkommen für den Handel schließen. Diese Verträge regeln, wie die Länder miteinander Handel treiben, also Waren und Dienstleistungen austauschen. Das Ziel ist, Handel einfacher und günstiger zu gestalten. Etwa ist das Handelsabkommen zwischen der EU und Mercosur ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den südamerikanischen Ländern. Der Mercosur (Gemeinsamer Markt des Südens) ist ein Wirtschaftsbündnis, das 1991 von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet wurde. Ziel ist es, den Handel zwischen den Mitgliedsländern zu erleichtern und wirtschaftlich enger zusammenzuarbeiten. Das Handelsabkommen zwischen der EU und Mercosur wurde 2024 beschlossen. Es soll Zölle senken und den Warenaustausch erleichtern. Während europäische Unternehmen von geringeren Exportzöllen profitieren, erhalten südamerikanische Länder besseren Zugang zum EU-Markt. Das Abkommen ist allerdings noch nicht in Kraft.
Wie wirkt sich das Mercosur-Abkommen auf die Steiermark aus?
Köppl-Turyna: Die Steiermark produziert viele Güter, die nach Südamerika exportiert werden können. Ein Abkommen wie dieses und damit gute Beziehungen zu Südamerika zu haben, ist also wichtig und positiv. Es gibt Stimmen, die sagen, dass wir mit dem Abkommen unsere Bauern unter Druck setzen. Aber erstens ist die Liste der landwirtschaftlichen Produkte, die aus Südamerika importiert werden dürfen, im Abkommen immer noch eingeschränkt und zweitens glaube ich, dass die Konsumentenperspektive wichtiger ist. Durch Vereinbarungen wie dem EU-Mercosur-Abkommen geben wir den Konsument:innen die Möglichkeiten, verschiedene Produkte zu erhalten. Wer sich für ein südamerikanisches Produkt entscheidet, hat ein Recht darauf, dieses günstig zu haben. Was außerdem am Rande von dem EU-Mercosur-Abkommen so relevant ist, ist, dass gerade Chile, Ecuador und Bolivien ein hohes Lithiumvorkommen haben. Wir brauchen Lithium für Speicherbatterien im Sinne der Energiewende. Deswegen ist es auch im besten Sinne Europas, gute Beziehungen zu Südamerika zu haben und mit Südamerika zusammen daran zu arbeiten, die Energiewende zu meistern.
Angesichts der Weltwirtschaft und -entwicklung ist es besser, wenn wir untereinander fairen Handel betreiben. Es braucht mehr Abkommen wie Mercosur, die dann am Ende dafür sorgen, dass es für Konsument:innen und Unternehmen günstiger wird und die guten Handelsbeziehungen weiter erhalten bleiben.
Die Regeln im Handel
Die EU regelt die Handelspolitik zwischen EU-Mitgliedsstaaten. Auf globaler Ebene spielen mehrere Institutionen eine entscheidende Rolle bei der Regulierung und Förderung des internationalen Handels.
Die Welthandelsorganisation (WTO) ist eine zentrale Institution, die den internationalen Handel regelt und erleichtert. Sie wurde 1995 gegründet und hat ihren Sitz in Genf (Schweiz). Die WTO basiert auf drei Hauptsäulen:
1. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT): Dieses Abkommen bildet die Grundlage für den internationalen Warenhandel und enthält Regeln zur Senkung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen.
2. Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS): Es regelt den internationalen Austausch von Dienstleistungen und fördert dessen Liberalisierung.
3. Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS): Dieses Abkommen schützt Rechte am geistigen Eigentum im internationalen Handel und legt Mindeststandards dafür fest.
Ein zentrales Element der WTO ist ihr Streitschlichtungssystem. Dieses ermöglicht es Mitgliedsländern, Handelskonflikte beizulegen, indem ein Gremium von Expertinnen und Experten entscheidet, ob bestimmte Handelsmaßnahmen mit den WTO-Regeln vereinbar sind. Ein grundlegendes Prinzip der WTO ist das Verbot der Diskriminierung: Wenn ein Land beispielsweise Zölle erhebt, dürfen diese keine spezifischen Länder benachteiligen.
Neben der WTO sind der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank weitere wichtige Akteur:innen im globalen Wirtschaftssystem. Der IWF fördert die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik und unterstützt Länder bei Zahlungsbilanzproblemen durch finanzielle Hilfen und Beratung. Die Weltbank hingegen konzentriert sich auf die wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung, indem sie Projekte finanziert, die die wirtschaftliche Infrastruktur und das Wachstum in Entwicklungsländern fördern. Beide Institutionen wurden im Rahmen der Nachkriegsordnung von Bretton Woods gegründet und bilden zusammen mit der WTO die drei Pfeiler der globalen Wirtschaftsordnung. Diese Institutionen arbeiten zusammen, um ein stabiles und faires internationales Handelssystem zu gewährleisten, das auf klaren Regeln basiert und zur globalen wirtschaftlichen Entwicklung beiträgt.
Was muss denn Bildung leisten, damit Heranwachsende Wirtschaftswissen haben und kompetente Arbeiter:innen werden können?
Köppl-Turyna: Wirtschaftswissen ist natürlich wichtig. Wir werden im Leben mit Fragen konfrontiert wie: Wie mache ich eine Steuererklärung? Wie bewerbe ich mich um einen Arbeitsplatz? Wie verhandle ich mein Gehalt? Wie viel zahle ich an Steuern? Was mache ich mit meiner Altersvorsorge? Das sind Fragen, die jede und jeden einmal beschäftigen werden. Wir sehen immer wieder, dass Kinder einfach mit 15 oder 18 Jahren die Schule beenden und es fehlen ihnen die Grundkompetenzen in Sachen Wirtschaft. Das muss sich ändern. Ich glaube auch, dass man in den Schulen stärker thematisieren und informieren muss, was es für Möglichkeiten gibt. Der akademische Zweig ist ja nicht die einzige Option. Die HTL-Ausbildung gibt zum Beispiel die Möglichkeit, früher in einem Unternehmen Karriere zu machen. Insbesondere an einem Standort wie der Steiermark, wo die industrielle Wertschöpfung so groß ist, werden diese Fachkräfte zunehmend gebraucht.
Wie können junge Menschen aktiv dazu beitragen, dass die Steiermark als Standort stärker wird?
Köppl-Turyna: Gut in der Schule sein. (lacht) Das meine ich ernst. Das Beste, was ein junger Mensch machen kann, ist, eine gute Bildung zu bekommen. Nicht nur im eigenen Interesse, weil man dadurch einfach viel bessere Chancen im Leben hat, sondern auch weil das einer der wesentlichen Standortfaktoren für ein Land ist: Gut ausgebildete Menschen, die flexibel darauf reagieren können, wie sich die Weltwirtschaft entwickelt und die später gute Jobs haben. Das ist der Unterbau von allem, es gibt einfach nichts Besseres für den Standort.
Zur Person:
Monika Köppl-Turyna ist Wirtschaftswissenschaftlerin. Sie leitet das industrienahe Forschungsinstitut EcoAustria.
