Was ist eigentlich eine Erfindung? Und warum haben innovative Unternehmen zwar Abteilungen für Forschung und Entwicklung aber keine für Erfindungen?
Roland Sonnleitner und Joachim Rieger, beide Entwickler bei DEWETRON formulierten einen klugen Satz: „Erfinder ist einer, der es ins Geschichtsbuch geschafft hat.“ Erfinder:innen und Entwickler:innen machen im Grunde dasselbe: Sie kombinieren vorhandenes Wissen und vorhandene Technik zu Etwas, das es vorher noch nicht gab. Wie bedeutungsvoll dieses Neue tatsächlich ist und ob es Jahrzehnte überdauert, zeigt allerdings erst die Zeit. In den Spitzenunternehmen der Welt werden praktisch täglich größere und kleinere Erfindungen geboren. Viele davon haben nur wenige Monate oder Jahre Bestand, bevor sie durch die nächste Weiterentwicklung abgelöst werden. Das schmälert nicht ihre technische und wirtschaftliche Bedeutung, aber sie landen eben nicht in den Geschichtsbüchern. Und ob man dort landet, weiß man eben tatsächlich erst Jahre später.
Selbst bei so weltverändernden Erfindungen wie dem Radio und dem Fernsehen hieß es zunächst, dass sie sich nicht durchsetzen würden. Hinzu kommt auch zunächst, dass Erfindungen immer seltener von Universalgenies wie Leonardo da Vinci, Viktor Kaplan oder Thomas A. Edison gemacht werden. Vielmehr sind Erfindungen und Entwicklungen längst Teamarbeit geworden. Der technische und finanzielle Aufwand braucht häufig die Kraft eines ganzen Unternehmens und das Zusammenwirken unterschiedlichster Spezialist:innen. Dies gilt auch für die aufwändigen Zulassungsverfahren, die nötig sind, um Neues auch auf den Markt zu bringen.
Die Steiermark war schon immer ein guter Boden für Erfinder:innen. Hier einige Beispiele für Personen, deren Erfindungen entweder heute noch aktuell sind oder die einen entscheidenden Beitrag zum steirischen Wirtschaftsleben geleistet haben:
1852-Josef Körösi
Josef Körösi wurde 1811 im ungarischen Szegedin geboren. Er gründete im Jahr 1852 nach einer Lehre als Eisenhändler eine Eisengießerei in Andritz, damals eine Vorstadtgemeinde von Graz. Aus seinem Werk ging die heutige ANDRITZ-Gruppe hervor, einer weltweit führenden Lieferanten von Anlagen, Ausrüstungen und Serviceleistungen für Wasserkraftwerke, die Zellstoff-und Papierindustrie, die Metall verarbeitende Industrie und Stahlindustrie mit weltweit 25.000 MitarbeiterInnen.
1892-Franz Pichler
Im Jahr 1866 in Weiz geboren, gründete der Ingenieur und Erfinder Franz Pichler die Weizer Elektrizitätswerke F. Pichler & Co. Aus diesem Unternehmen entstand später der Industriekonzern ELIN, der heute teils Bestandteil des Siemenskonzern und der ANDRITZ AG ist. Als Erfinder konstruierte Franz Pichler eines der ersten Wechselstromkraftwerke der k.u.k. Monarchie und meldete Erfindungen wie die Kühlrippe zum Patent an, die etwa in Motoren zum Abführen von Wärme dient.
1907-August Musger
Der 1868 gebürtige Eisenerzer besuchte die theologische Fakultät Graz, wurde zum Priester geweiht und studierte zusätzlich Mathematik und Physik. Als begeisterter Kinogeher erfand er die Zeitlupe.
1913- Viktor Kaplan
Der wohl bekannteste steirische Erfinder wurde 1867 in Mürzzuschlag geboren und studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Wien. Sein lebenslanges Hauptinteresse galt der energetischen Nutzung der Wasserkraft. Im Jahr 1913 reichte er das Patent für die Kaplan-Turbine ein. Diese Erfindung legte den Grundstein für moderne Turbinen in Wasserkraftwerken, wie sie auch heute noch zu tausenden in Verwendung sind.
1948-Hans List
Als herausragender Pionier des Motorenbaues hatte Prof. Dr. Dr. h.c. Hans List einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Verbrennungskraftmaschine in ihren vielen Varianten.
1948 gründete er die „Anstalt für Verbrennungsmotoren Prof. Dr. Hans List“ (AVL) mit dem Ziel, auf Basis der letzten Erkenntnisse der Grundlagenforschung modernste Motoren unter Berücksichtigung der für die Motorenindustrie wichtigen Wirtschaftlichkeitskriterien zu entwickeln. Bereits die ersten Dieselmotoren aus dem Jahre 1949 hatten sehr große Erfolge und wurden serienmäßig bei den Jenbacher Werken in Tirol und in der Andritzer Maschinenfabrik in Graz hergestellt. Die Gründung von AVL war der Anfang eines unternehmerischen Weges, der zum weltweit größten unabhängigen Zentrum für Forschung und Entwicklung von Verbrennungsmotoren und für Messtechnik geführt hat.
1949-Maria Zach
Im Jahr 1949 entstanden die ersten dünnen Salzstangerln in der Backstube der Familie Zach. Ursprünglich wurden hier Brezeln geformt, bis man eine einfachere Form fand, die schneller und günstiger zu produzieren war. Ursprünglich sollten sie, abgeleitet von sale (ital. Salz) „Saletti“ heißen. Doch Firmenchefin Maria Zach bestand auf dem Namen „Soletti“, der an sole (ital. Sonne), mare und bella Italia erinnern sollte.
1952-Günter Knapp
Alles begann 1952 in der Garage von Ing. Günter Knapp. Gemeinsam mit zwei Schlossern baute er Ölbrenner und Krapfenbefüllmaschinen. Wenig später brachte seine Fördertechnik Bewegung in den Pharmagroßhandel. Schon bald folgten Kommissionierautomaten, die auf internationalen Märkten von sich reden machen. Heute ist die Knapp AG Weltmarktführer im Bereich der Intralogistik und maßgeblich daran beteiligt, dass alltägliche Dinge wie Lebensmittel und Kleidung zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Aus den zwei Mitarbeitern in der Garage sind weltweit 3.000 geworden.
2005-Alfred Freiberger
Alfred Freiberger leitet die Abteilung für globale Vorausentwicklung bei SECOP Austria GmbH in Fürstenfeld, ein Unternehmen, das auf hochentwickelte Kompressor-Aggregate für Kühl-und Gefriertechnik spezialisiert ist. Seine Aufgabe ist es, Produkte zu entwickeln, die zwei bis fünf Jahre später auf den Markt kommen. Im Mittelpunkt stehen dabei Erfindungen, die den Energieverbrauch von Kompressoren senken, deren Herstellungskosten reduzieren oder ihren Geräuschpegel verringern. Alfred Freiberger studierte, obwohl er als Kind eigentlich Landwirt werden wollte, Maschinenbau/Wirtschaft an der TU Graz. Als wesentlichste Eigenschaften für seinen Beruf als Erfinder nennt er Neugier, das Gespür für Potenziale sowie ein gutes technisches und wirtschaftliches Verständnis.
2012-Roland Sonnleitner und Joachim Rieger
Roland Sonnleitner, Projektleiter und Joachim Rieger, Hardwareengineer, sind zwei „Erfinder“ der neuen Generation bei DEWETRON in Grambach. Das Unternehmen entwickelt mit rund 100 Mitarbeiter:innen in Graz High End-Messtechnik. Dahinter steckt eine Fülle von laufenden Erfindungen und Entwicklungen, die dafür sorgen, dass DEWETRON-Messgeräte etwa die Startphasen von Atlas 5-Trägerraketen in den USA begleiten oder in der Autoentwicklung und in der Überwachung von Umspannwerken eingesetzt werden. Das herausragende an Messtechnik von DEWETRON sind der Genauigkeitsgrad und das kundenspezifische Design der Messgeräte. Roland Sonnleitner absolvierte die HTL für Maschinenbau und Automationstechnik und sammelte anschließend praktische Erfahrungen bei verschiedenen Unternehmen. Joachim Rieger absolvierte die HTL für Nachrichtentechnik und begann ein Studium der Elektrotechnik, wechselte aber auch rasch in die praktische Berufswelt.
2017-Stefanie Lin
Stefanie Lin studierte an der internationalen Kunsthochschule ESMOD in Berlin „Sustainability in Fashion“ Aufbauend auf ihre Masterarbeit entwickelte sie ein besonderes Projekt, das sie derzeit in der Legero Schuhfabrik, dem Unternehmen ihres Vaters, realisiert: „Die Erfindung eines zu 100% biologisch abbaubaren Schuhs. Unter dem Markennamen Vios sollen 2017 zuerst Kinderschuhe auf den Markt kommen.“
Schuhe an sich zählen zu den ältesten Erfindungen der Menschheit. Schuhe, die zur Gänze schadstofffrei abgebaut werden, sind Neuland. Schuhe bestehen aus bis zu 45 Einzelteilen aus unterschiedlichsten Materialien und von verschiedensten Lieferanten. Hier neue Wege zu gehen braucht intensives Netzwerken – etwa mit Partnern wie dem Faserhersteller Lenzing oder dem Lederverarbeiter Boxmark – und vor allem Hartnäckigkeit. Aktuell ist das Ziel bereits zu rund 80% erreicht, lediglich an Schuhsohlen und Kleber muss noch getüftelt werden. Lins Motivation hinter dem ehrgeizigen Projekt ist die Gewissheit, dass wir mit unserer Umwelt sorgsam umgehen müssen