Mobile Zukunft

GESPRÄCH MIT JOST BERNASCH
Peugeot - Montage Motorhaube
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E-Mobilität und automatisiertes Fahren im Auto von Morgen. Wir fragen beim Experten für Mobile Zukunft nach.

Sehr geehrter Herr Bernasch, wird das Auto der Zukunft elektrisch oder mit Kraftstoff angetrieben?

Herr Bernasch: Aufgrund der weltweit erlassenen Vorschriften zur CO²-Reduktion, Stichwort Klimaziele und der Reduktion an­derer schädlicher Emissionen wie etwa NOx (Stickoxid) und Staubpartikel (Feinstaub) wurde die Effizienz der Verbrennungsmotoren in den letzten 5 Jahren enorm er­höht. Parallel dazu entwickelt sich der Elek­troantrieb zunehmend zu einer ernsthaften Alternative, wenn auch die Stückzahlen aufgrund zu geringer Reichweiten, hoher Batteriekosten und der mangelhaften Infrastruktur an Ladestationen noch sehr gering sind, aber das ändert sich.

Wenn die Effizienz moderner Ver­brennungsmotoren schon so hoch ist, warum dann der starke Drang zum Ausbau der Elektromobilität?

Herr Bernasch: Wichtige Länder, allen voran China, das etwa 35% des Automobilmarktes abdeckt, gibt ab 2019 vor, dass mindestens 10% aller neuzugelassenen Fahrzeuge elektrisch angetrieben sein müssen. Damit wollen sie auch ihre eigene Fahrzeugindustrie pushen. Da auch die europäischen Hersteller auf diesen Markt nicht verzichten können, müssen sie hier konkurrenzfähige Autos anbieten, die dann natürlich auch bei uns auf den Markt gelangen. Und insbesondere in Ballungsräumen sind diese Fahrzeuge auch bei uns sinnvoll, da sie – Stichwort CO² und NOx– lokal emissionsfrei betrieben werden. Die versprochenen neuen Genera­tionen sollten auch Reichweiten von 500 km und aufwärts bieten können, die Auswahl an Modellen wird breiter und die Ladeinfrastruktur wird entsprechend ausgebaut werden. Ob auch die Brennstoffzelle als Alternative eine Rolle spielen wird, kann man aus heutiger Sicht noch nicht realis­tisch abschätzen.

Ein zweiter Zukunftstrend neben der e-Mobilität ist das automatisierte Fahren. Wohin gehen hier die Entwick­lungen?

Herr Bernasch: Dieser Trend fußt auf zwei Entwicklun­gen: Insbesondere im kleinräumigen Gütertransport – etwa in Logistikzentren, Bergbaugeländen und ähnlichem sind selbstfahrende Fahrzeuge vom Gabelstapler bis zum Caterpillar effizienter. Hier ist das auch leichter umsetzbar, da die Fahrzeuge unter kontrollierbaren Bedingungen agieren. Diese Technologien lassen sich für den Individualverkehr schrittweise weiterentwickeln. Eine Hoffnung ist, dass so die Zahl der Verkehrsunfälle und der Todesopfer deutlich reduziert werden kann. Daneben gibt es auch massive ökono­mische Interessen: Insbesondere in den Mega-Cities Asiens und der USA verbringen die Menschen sehr viel Zeit im nervenaufreibenden Stop-and-Go-Verkehr. Kann ein Auto diese Strecken zumindest in Teilen autonom bewältigen, können der Fahrer und andere Insassen diese Zeit anderweitig nutzen. Deshalb investiert insbesondere die Kommunikations- und Unterhaltungsindustrie intensiv in die Verschmelzung von Fahrzeug und Kommunikationstechnologie. Ziel ist das Auto als fahrendes Wohnzimmer und Büro.

Elektrisch betriebene Fahrzeuge sind technisch wesentlich einfacher auf­gebaut und haben weniger Teile – sie brauchen etwa weder Getriebe noch Abgassysteme. Auch der Aufwand an Service, Wartung und Reparaturen ist geringer. Gefährdet das nicht hundert­tausende Arbeitsplätze in der europäischen Automobilindustrie?

Herr Bernasch: Langfristig wird das kommen. Aktuell ist es aber so, dass zwar auf der einen Seite der Anteil der Elektrofahrzeuge deutlich steigen wird, insgesamt aber ebenso die Nach­frage an Autos – wie in China und Indien. Damit sinkt zwar der prozentuale Anteil der kraftstoffbetriebenen Autos, nicht aber ihre Gesamtzahl. Wir stehen derzeit bei 75 Millionen Fahrzeugen, die jährlich weltweit zugelassen werden. Das wächst auf über 100 Millionen weltweit. Selbst wenn es ge­lingt in den nächsten fünf Jahren 20 oder 25 Millionen E-Fahrzeuge, was eine starke Zahl wäre, auf den Markt zu bringen, brauche ich noch immer gleich viel verbrennungskraft­motorisch bewegte Fahrzeuge wie heute. In den nächsten 30 Jahren wird es einen Mix von effizienten Verbrennern – teilweise mit alternativen Kraftstoffen – und elektrifizier­ten Antriebssystemen geben.

Welche Ausbildungen werden in Zukunft in der Automobilindustrie besonders wichtig?

Herr Bernasch: Also ich würde Elektronik und Software schon stark empfehlen, oder mindestens einen Mix wie Mechatronik. Die Zukunft liegt in der Software.

Was raten Sie jungen Menschen auf Basis ihrer persönlichen Erfahrungen für die Zukunft?

Herr Bernasch: Sehr wichtig ist es, neugierig zu sein, etwas zu lernen, offen zu sein und Chancen, die sich bieten zu ergreifen. Oft ist dies der Ausgangspunkt, aus dem sich unge­plant sehr Interessantes und Wertvolles entwickelt.

Dr. Jost Bernasch, Virtual Vehicle

Dr. Jost Bernasch ist Mitglied im Steering Committee der International Driving Simulation Conference (DSC), Gründer und Vorsitzender des Grazer Symposiums Virtuelles Fahrzeug (GSVF) und Vorsitzender des International Styrian Noise, Vibration & Harshness Kongress (ISNVH) in Zusammenarbeit mit der SAE.

VIRTUAL VEHICLE ist ein interna­tional agierendes Forschungs- und Entwicklungszentrum, das sich mit der an­wendungsnahen Fahrzeugentwicklung und zukünftigen Fahrzeugkonzepten für Straße und Schiene befasst. Mittler­weile sind rund 200 MitarbeiterInnen am Standort in Graz beschäftigt – ihre Expertise ermöglicht die effiziente Entwicklung von leistbaren, sicheren und umweltfreundlichen Fahrzeugen.

www.v2c2.at


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DR. RER.NAT. JOST BERNASCH
SEIT 2004 IST ER GESCHÄFTSFÜHRER DES KOMPETENZZENTRUMS „VIRTUAL VEHICLE“ IN GRAZ. ER STUDIERTE INFORMATIK UND BETRIEBSWIRTSCHAFT AN DER UNIVERSITÄT BONN, PROMOVIERTE AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN UND DORTMUND UND WAR ALS PROJEKTMANAGER UND LEITER DER FAHRSIMULATION BEI BMW MÜNCHEN TÄTIG.

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